Am 20. Dezember 2020 werden die Normen IEC/EN/UL/CSA 60950–1 und IEC/EN/UL/CSA 60065 zurückgezogen und alle davon betroffene Produkte, fallen dann unter den Geltungsbereich der EN 62368-1. Mit der fortgesetzten Entwicklung neuer Technologien und neuer Märkte sind die Unterscheidungen zwischen AV- und IKT-Geräten zunehmend verschwommen und die Umstellung auf die gemeinsame 62368-1 wurde notwendig, gültig für das Information Technology Equipment und die Audio-, Video- und ähnliche elektronische Geräte, die jeweils unter der 60950-1 bzw. unter der 60065 erfasst wurden. Damit löst eine neue Sicherheitsnorm auf Basis von IEC 62368-1 weltweit die bis dato bestehenden Normen ab.
62368-1 ist ein risikobasierter Sicherheitsstandard, der größere Flexibilität im Produktdesign bietet und die Einführung neuer Technologien erleichtert. Obwohl 62368-1 Designern mehr Flexibilität und weniger Vorschriften bietet mit dem Ziel, Endnutzern sicherere Produkte zu liefern, ist der wichtigste Wandel ein philosophischer – hin zum HBSE.
Absatz 1 beschreibt den Anwendungsbereich der Norm, während Anhang A eine Liste von Produkten enthält. Gegenwärtig gehören dazu:
- Computer- und Netzwerkprodukte wie Server, PCs, Router, Notebooks/Laptops, Computer, Tablets und ihre Stromversorgungen
- Unterhaltungselektronik wie Verstärker, Heimkinosysteme, Digitalkameras und persönliche Musik-Player
- Anzeigen und Anzeigegeräte einschließlich Monitore, Fernseher und digitale Projektoren
- Telekommunikationsprodukte wie Netzwerkinfrastrukturausrüstung, schnurlose und Mobiltelefone und ähnliche Kommunikationsgeräte, einschließlich batteriebetriebener Geräte
- Bürogeräte wie Kopierer und Aktenvernichter
- Verschiedene andere Arten von Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnologie
- Geräte, die in Privathaushalten, Schulen, Datenverarbeitungszentren und kommerziellen sowie professionellen Umgebungen genutzt werden
Wie bei 60065 und 60950-1 sind die in Anhang A aufgeführten Beispiele nicht erschöpfend, und nicht aufgeführte Ausrüstung ist nicht unbedingt ausgeschlossen. Ausgabe 3 von IEC 62368-1 wird erwartet um zusätzliche Beispiele für Geräte aufzunehmen, die seit der früheren Norm veröffentlicht wurden. Dazu könnten Smartphones und Tablet-Computer gehören, tragbare Computer, elektronische Kioske und sogar 3D-Drucker.
62368-1 gilt nicht nur auf der Produktebene, sondern – wo relevant – auch für Komponenten und Subsysteme. Dies war die gleiche Situation, die unter 60950-1 und 60065 vorherrschte. So sollte festgestellt werden, ob das Produkt gegenwärtig zertifiziert ist oder geplant ist, nach 62368-1 zertifiziert zu werden. Dies gilt für Spannungsversorgungen, die im Inneren des Geräts installiert sind, wie auch für externe Stromversorgungen oder Adapter, die einfach nur in der Verpackung mit dem Gerät ausgeliefert werden.
Die zweite Ausgabe von 62368-1 enthält Klauseln, die Unternehmen beim Übergang von den alten Standards helfen sollen. Diese helfen Unternehmen effektiv zu entscheiden, wie und wann sie ihre Produkte nach 62368-1 zertifizieren müssen und wie sie den vorhandenen Bestand an Teilsystemen verwalten können, deren Komponenten (wie Stromversorgungen) bereits nach 60950-1 und 60065 zertifiziert sind.
Eine wichtige – wenn auch, wie zu beachten ist, vorübergehende Bestimmung, ist der Unterabschnitt 4.1.1, der es Unternehmen ermöglicht, ihren Bestand an 60950-1 oder 60065-Teilen weiterhin in Produkten zu verwenden, die nach 62368-1 zertifiziert sind.
Laut Abschnitt 4.1.1 der IEC 62368-1 ist die Verwendung von 60950-1 oder 60065 Spannungsversorgungen in nach 62368-1 getesteten Endprodukten gestattet, sowie die Verwendung von nach 62368-1 zertifizierten Spannungsversorgungen in 60950-1- oder 60065-konformen Endprodukten. Ob dieser Abschnitt jedoch über den 20. Dezember 2020 hinaus in Kraft bleibt, ist für die EU noch unklar. Nach einer Vorabstimmung wurde das Entfernen von Text aus Abschnitt 4.1.1 zwar abgelehnt, doch wird eine weitere Abstimmungsrunde erwartet. Da weiterhin nicht sicher ist, ob ältere Zulassungen nach 60950-1 und 60065 in der EU gültig bleiben, arbeitet CUI an der Anpassung des Portfolios von Spannungsversorgungen an die neuste Norm – die 2. Edition von 62368-1. So soll für Kunden, die Ihre Produkte weltweit verkaufen, am Stichtag möglichst minimal erneute Testung notwendig sein.
Die Klausel besagt:
„Komponenten & Unterbaugruppen, die IEC 60950-1 oder IEC 60065 entsprechen, sind ohne weitere Bewertung als Teil der unter diese Norm fallenden Ausrüstung akzeptabel als die Berücksichtigung der angemessenen Verwendung des Bauteils oder Unterbaugruppe im Endprodukt“.
Im Falle einer gelisteten Stromversorgung kann die angemessene Berücksichtigung beispielsweise so einfach sein wie das Sicherstellen, dass das Produkt nur innerhalb seiner festgelegten elektrischen Nennwerte verwendet wird. Leser, die mit den Anforderungen von 60950-1 und 60065 vertraut sind, erkennen möglicherweise die Potenziale für einige Probleme, da die alten Normen Energiequellen und Schaltungen unterschiedlich klassifizieren. Ein Beispiel ist, dass ein 60950-1 zertifiziertes Schaltnetzteil typischerweise Ausgangsschaltungen hat, die als Sicherheitskleinspannung (SELV) klassifiziert sind, während IEC 62368-1 sich auf ES1-Energiequellen bezieht, die sowohl Spannung als auch Strom berücksichtigen. Als Ergebnis ist SELV nicht mehr definiert. Die TC108 hat hierzu einen pragmatischen Ansatz zu diesem Thema gewählt und erkannt, dass ein SELV-Schaltkreis von einem Benutzer oder Bediener sicher berührt werden soll,auf die gleiche Weise, wie eine ES1-Quelle von einer normalen Person sicher berührt werden kann. Zur Hilfe beim Übergang zur neuen Norm wird davon ausgegangen, dass beide ein gleichwertiges Sicherheitsniveau bieten. Daher wird die Zusammenschaltung von 60950-1 SELV-Schaltkreisen und 62368-1 ES1-Schaltkreisen in Betracht gezogen. In der Praxis ist dies ohne erschöpfende Analyse akzeptabel.
Beachten Sie, dass der Unterabschnitt 4.1.1 voraussichtlich aus zukünftigen Ausgaben der 62368-1 entfernt wird. TC108 hatte zwar erwogen, zu empfehlen, die Bestimmungen auf Ausgabe 3 auszuweiten, die derzeit für die Veröffentlichung überarbeitet wird. Allerdings hatte das europäische Komitee CENELEC beabsichtigt, die Bestimmung 4.1.1 aus Ausgabe 2 von EN 62368-1, die am 20. Dezember 2020 in Kraft treten soll, nicht in Ausgabe 3 zu übernehmen, ungeachtet des Ergebnisses der TC108-Diskussion. UL wird andererseits die Akzeptanz der 60950-1 oder 60065 für Altprodukte nach dem Rückzugsdatum 2020 aufrechterhalten, solange wesentliche Änderungen die Sicherheit von kritischen Komponenten nicht beeinflussen. Daher müssen Unternehmen diese regionalen Unterschiede bei der Vorbereitung ihres Übergangs zur Norm 62368-1 berücksichtigen.
Der Norm 62368-1 liegt eine HBSE-Logik zugrunde (Hazard-Based Safety Engineering). Die HBSE visualisiert die Gefahren und Schutzmaßnahmen in Form von Drei-Block-Modellen, die die Verbindungen zwischen der Energiequelle, dem Energieübertragungsmechanismus oder der Schutzmaßnahme und dem Benutzer beschreiben.
Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Identifizieren Sie die verwendeten Energiequellen
- Messen Sie die von ihnen erzeugten Energieniveaus
- Bestimmen Sie, ob die Energie aus diesen Quellen gefährlich ist
- Klassifizieren Sie sie entsprechend
- Stellen Sie fest, wie die Energie auf ein Körperteil übertragen werden kann
- Bestimmen Sie geeignete Sicherungssysteme:
- zum Schutz definierter Personen vor Schmerzen und Verletzungen durch die klassifizierte Energiequellen
- sowie um die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen oder Sachschäden aufgrund eines elektrisch verursachten Feuers, das von dem Gerät ausgeht
- Messen Sie die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahmen
ENERGIEQUELLE | AUSWIRKUNG AUF DEN KÖRPER | WIRKUNG AUF BRENNBARE STOFFE |
Klasse 1 | Nicht schmerzhaft, aber möglicherweise nachweisbar | Zündung nicht wahrscheinlich |
Klasse 2 | schmerzhaft, aber keine Verletzung | Zündung möglich, aber begrenztes Wachstum und Ausbreitung von Feuer |
Klasse 3 | Verletzung | Entzündung wahrscheinlich, schnelles Wachstum und Ausbreitung des Feuers |
Etliche Netzteilhersteller lösen die daraus entstehenden Anforderungen durch Anpassungen im Chassis-Design. Belüftungsöffnungen, die bisher als Langschlitz ausgeführt waren, werden in Rautenmuster umgewandelt.
Bei der Gelegenheit werden gerne auch Eingriffe in die Elektronik durchgeführt, um die Energieeffizienz und Produzierbarkeit zu verbessern. Eine Re-Qualifizierung des Endproduktes geht in der Regel damit einher.
Paul Jensen
Paul Jensen ist Product Manager bei InoNet und verantwortet diverse Produktkategorien und Serviceleistungen.
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